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Peter S., Teil 25: Wie ich durch Harninkontinenz meine Arbeitsstelle verlor

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Jobverlust durch Inkontinenz

Als bei mir Pro­sta­ta­krebs fest­ge­stellt wur­de, ahn­te ich nicht, wie sehr sich dadurch mein Leben ver­än­dern wür­de. Letzt­end­lich wur­de ich dadurch arbeitslos.

Frei­tag den 8. Dezem­ber 2018 wer­de ich nie­mals mehr ver­ges­sen. Das Datum hat sich fest in mein Gedächt­nis gebrannt, weil es sich um mei­nen letz­ten Arbeits­tag im Leben han­del­te. Das wuss­te ich aller­dings damals nicht, als ich von der Früh­schicht nach Hau­se ging. 

Für Mon­tag den 11. Dezem­ber 2018 war mei­ne Pro­sta­ta­ope­ra­ti­on vor­ge­se­hen. Mein Uro­lo­ge hat­te mir erklärt, es wür­de sich um kei­nen beson­ders kom­pli­zier­ten Ein­griff han­deln. Ich sol­le mit etwa 3 Mona­ten Arbeits­un­fä­hig­keit rech­nen. Es kam lei­der anders.

Was nach der Operation passierte

Der ers­te Schock kam bereits, als ich mich noch im Kran­ken­haus vom Ein­griff erhol­te. Der Sta­ti­ons­arzt erklär­te mir, dass nicht alles Krebs­ge­we­be ent­fernt wer­den konn­te. Nach einer Reha und einer Erho­lungs­pau­se von 3 – 4 Mona­ten sei eine Strah­len­the­ra­pie erfor­der­lich, um den Krebs end­gül­tig zu besie­gen. Von wegen 3 Mona­te Arbeitsunfähigkeit!

Zudem hat­te ich mit einem erns­ten Pro­blem zu kämp­fen: mei­ner Harn­in­kon­ti­nenz. Sie war schlim­mer als ich es mir vor­ge­stellt hat­te und wirk­te sich nega­tiv auf mein gan­zes Leben aus.

Daher wirk­te es auf mich wie ein Witz, als ich von mei­nem Arbeit­ge­ber im März 2019 zu einem Per­so­nal­ge­spräch gebe­ten wur­de. Es han­del­te sich um eine rei­ne For­ma­li­tät. Alle Arbeit­neh­mer, die län­ger als 3 Mona­te durch­ge­hend krank waren, müs­sen zu so einem Gespräch erschei­nen. Als ich erklär­te, dass mir noch eine Strah­len­the­ra­pie bevor­ste­hen wür­de, durf­te ich wie­der gehen.

Im Sep­tem­ber 2019 erhielt ich per Post die Ein­la­dung zu einem erneu­ten Gespräch. Ich war seit Dezem­ber 2018 krank­ge­schrie­ben und noch immer nicht arbeits­fä­hig. Der Grund dafür war mei­ne Harn­in­kon­ti­nenz. Ich arbei­te­te in der Pro­duk­ti­on als Trans­port­ar­bei­ter. Der Job ist so stres­sig, dass es kei­ne Mög­lich­keit gibt, außer­halb der regu­lä­ren Pau­sen­zei­ten auf die Toi­let­te zu gehen.

Wie es zu meiner Kündigung kam

So lan­ge wie ich noch Kran­ken­geld bezog, war von Sei­ten mei­nes Arbeit­ge­bers alles in Ord­nung. Die 6 Wochen Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall waren ja schon lan­ge vor­bei. Ab Ende Janu­ar 2020 bezog ich Kran­ken­geld direkt von mei­ner Krankenkasse. 

Die­se Zah­lun­gen lie­fen am 9. Juni 2020 aus, kurz nach mei­nem 63. Geburts­tag. Bereits im April wur­de ich wie­der zu mei­nem Arbeit­ge­ber ein­be­stellt. Er ließ mich durch den Betriebs­arzt unter­su­chen, der beschei­nig­te, dass ich noch nicht wie­der arbeits­fä­hig sei und es wahr­schein­lich auch nicht wie­der wer­den würde.

In dem Zusam­men­hang muss ich bemer­ken, dass ich seit der OP zu 80 Pro­zent schwer­be­hin­dert bin. Mir wur­de erklärt, dass der Pati­ent bei einer radi­ka­len Pro­sta­tek­to­mie in der Regel mit min­des­tens 50 Pro­zent Schwer­be­hin­de­rung ein­ge­stuft wird. Bei mir waren es 80 Pro­zent wegen der zusätz­li­chen Strahlentherapie.

Im Zuge des Gesprächs teil­te mein Arbeit­ge­ber mir mit, dass ihm unter den Umstän­den kei­ne ande­re Wahl blie­be, als mich zu ent­las­sen. Für mich gäbe es kei­ne Beschäf­ti­gung, die für mich geeig­net sei. Da ich bereits kurz vor dem Beginn der Ren­te stün­de, käme auch eine Umschu­lung nicht mehr in Frage. 

Er riet mir, einen Ren­ten­an­trag zu stel­len. Das kam für mich aber lei­der nicht in Fra­ge, weil mir Bei­trags­zeit fehl­te. Es kam wie es kom­men muss­te. Ab dem 9. Juni 2020 wur­de ich vom Betriebs­arzt wie­der gesund­ge­schrie­ben. Nicht weil ich tat­säch­lich gesund war, son­dern weil mei­ne Kran­ken­ta­ge ver­braucht waren.

Meine Kündigung

Nach­dem ich offi­zi­ell wie­der arbeits­fä­hig war, ging ich natür­lich nicht zur Arbeit. Ich litt (und lei­de noch immer) unter Bla­sen­schwä­che. Ich erhielt mei­nen Rest­ur­laub und bekam die Kün­di­gung zum 31. Juli 2020 ausgesprochen.

Es han­del­te sich um eine per­so­nen­be­ding­te Kün­di­gung wegen mei­ner Krank­heit. Der Inte­gra­ti­ons­rat, der für Schwer­be­hin­der­te zustän­dig ist, wur­de infor­miert und war einverstanden.

Wie ging es weiter?

Ich klag­te gegen die Kün­di­gung, weil ich noch bis zum Beginn der Alters­ren­te arbei­ten woll­te. Die Kla­ge blieb erfolg­los. Als Zei­chen sei­nes guten Wil­lens erhielt ich vom Arbeit­ge­ber noch 500 € Abfin­dung für 16 Jah­re Arbeit in sei­nem Unternehmen. 

Jetzt sit­ze ich zu Hau­se und war­te dar­auf, in Ren­te gehen zu kön­nen. Der Antrag ist bereits gestellt. Ab dem 1. August 2021 ist es so weit. Die Arbeits­agen­tur lässt mich voll­kom­men in Ruhe. Mit mei­nem Gesund­heits­zu­stand, dem Alter, der Schwer­be­hin­de­rung und der Harn­in­kon­ti­nenz bin ich nicht mehr vermittelbar.

Trotz allem – das Leben ist schön!

Für man­chen in mei­ner Situa­ti­on gäbe es vie­le Grün­de zum Ver­zwei­feln. Zum Glück gehö­re ich nicht zu die­sen Men­schen. Ich bin froh, dass ich den Krebs besie­gen konn­te. Ins­ge­samt betrach­tet lebe ich jetzt bes­ser als frü­her, wenn ich noch arbei­ten musste. 

Mein Leben läuft in regel­ten Bah­nen ab. Ich schla­fe gut, ernäh­re mich gesund und füh­le mich wohl. Zwar feh­len mir die Kon­tak­te mit mei­nen ehe­ma­li­gen Arbeits­kol­le­gen, dafür habe ich jetzt bes­se­re Bezie­hun­gen zu mei­nen Nach­barn. Ab und zu kommt mei­ne Freun­din zu Besuch. 

Ehr­lich gesagt freue ich mich schon dar­auf, bald Rent­ner zu sein. Dann habe ich gro­ße Plä­ne, die beinhal­ten, dass ich Deutsch­land verlasse.

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