Peter S., Teil 27: Mein Leben mit Harninkontinenz – Ein Rückblick
Meine Erfahrungen im Alltag als Betroffener
Seit meiner Prostataoperation im Dezember 2018 leide ich an Harninkontinenz. Mein Leben hat sich dadurch sehr verändert, sowohl positiv als auch negativ.
Als bei mir im Jahr 2018 Prostatakrebs diagnostiziert wurde, ahnte ich noch nicht, dass sich dadurch mein Leben total verändern würde. Ausgehend von meinen jetzigen Erfahrungen muss ich jedoch sagen, dass diese Veränderungen zum überwiegenden Teil positiv waren.
Das Beste, das mir in dem Zusammenhang passieren konnte, war der Umstand, dass mein Prostatakrebs überhaupt erkannt wurde. Das mit mir etwas nicht stimmt, kam nur im Zusammenhang mit Untersuchungen wegen einer Blasenentzündung ans Licht. Prostatakrebs ist heimtückisch, weil er langsam wächst und lange keine oder nur schwache Symptome zeigt. Dadurch wird er oft zu spät erkannt.
Von der Prostatektomie zur Strahlentherapie
Nachdem Krebs diagnostiziert wurde, empfahl mir mein Urologe, die Prostata komplett entfernen zu lassen (radikale Prostatektomie). Er erklärte mir, dass diese Methode sehr erfolgreich sei und damit das gesamte Krebsgewebe entfernt werden könne. Er hatte Recht. Bis heute, etwa 2,5 Jahre später, ist der Krebs nicht wieder zurückgekommen.
Allerdings muss ich den guten Doktor auch kritisieren. Er verharmloste die Folgen der Prostatektomie, indem er die OP als einen eher kleinen Eingriff darstellte. Man würde eine leichte Blasenschwäche entwickeln und ungefähr 3 – 4 Monate arbeitsunfähig sein. Als ich am Tag vor der Operation Feierabend machte, wusste ich noch nicht, dass ich den letzten Tag meines Lebens auf Arbeit verbracht hatte.
Von wegen leichte Blasenschwäche! Ich lief aus wie ein undichtes Fass! Lange Zeit nach der OP musste ich Inkontinenzpants tragen, anfangs 7 Stück am Tag, langsam dann jedoch weniger. Meine beste Erfahrung in dieser Zeit war meine erste Reha. Sie half mir viel und trug zur Verbesserung meines Gesundheitszustands bei. Mindestens ebenso gut wie die Therapien waren die Gespräche mit anderen Patienten, die ich während dieser Zeit hatte. Der Reha habe ich es zu verdanken, dass sich mein Gesundheitszustand verbesserte.
Da bei der OP nicht das gesamte Krebsgewebe entfernt werden konnte, musste ich im Mai 2019 zur Bestrahlung. Die Therapie umfasste 33 Sitzungen und wurde ambulant durchgeführt. Besonders qualvoll war für mich, dass beim Bestrahlen die Blase voll sein musste, um Strahlenschäden zu vermeiden. Das ging bei mir nur mit einer Penisklemme.
Am Anfang fand ich die Strahlentherapie nicht weiter schlimm. Schnell merkte ich jedoch, dass sich unangenehme Effekte um so stärker zeigten, je länger die Behandlung dauerte. Ich hatte Durchfall und fühlte mich wie bei einer Blasenentzündung. Beim Urinieren brannte es. Alle paar Minuten musste ich auf die Toilette. Selbst nachts hielt ich es nicht länger als eine Stunde aus. Aus diesem Grund beantragte ich eine zweite Reha, die auch genehmigt wurde.
Nach der Strahlentherapie bis heute
Als Spätfolge der Therapien entwickelte ich eine Phimose (Verengung der Vorhaut). Weil die Haut im Intimbereich durch die Harn-Inkontinenz ständig warm und feucht war, litt ich zudem sehr unter Hautpilzen. Zeitweise juckte es unerträglich. Auf meinen eigenen Wunsch ließ ich mich daher im August 2019 beschneiden.
Es war eine gute Entscheidung, weil sich das Problem seitdem gebessert hat. Die Intimpflege fällt leichter und Hautpilze sind kein Thema mehr. Auch meine Harninkontinenz bessert sich, jedoch nur langsam. Es war eine große Erleichterung für mich, als ich von Pants zu Vorlagen wechseln konnte. Pants sind zwar praktisch, lassen aber kaum Luft an den Intimbereich.
In den feucht-warmen Bedingungen fühlen sich Hautpilze sehr wohl. Vorlagen sind da besser, weil sie mehr Luft an die Haut lassen. Vor ungefähr einem Jahr hatte ich wieder einen Grund zum Feiern. Ich konnte von Vorlagen zu Einlagen wechseln! Das bedeutete mir viel. Die Einlagen kann man mit ganz normaler Unterwäsche tragen, während Pants und Vorlagen wie Windeln aussehen. Ein erwachsener Mann mit Windeln! Das kratze sehr an meinem Ego. Momentan benutze ich ungefähr 3 Einlagen in 24 Stunden und hoffe, die Zahl noch weiter zu reduzieren.
Fazit: Erwartungen und die Realität
Meine Krebserkrankung hat sowohl positive als auch negative Aspekte. Positiv ist, dass ich jetzt gesünder lebe als vorher. Ich trinke keinen Alkohol mehr, ernähre mich gesund und habe ungefähr 20 kg abgenommen. Mein Leben läuft ruhig und geregelt ab. Ich arbeite im Homeoffice.
Negativ schlägt zu Buche, dass die Harninkontinenz noch immer andauert. Die Ärzte sagten mir seinerzeit, dass sie nach spätestens einem Jahr vorbei sein würde. Beim Laufen oder Tragen schwerer Sachen verliere ich aber noch heute Urin. Von meinem Urologen und dem Krankenhaus bekam ich so gut wie keine Unterstützung.
Eine echte Hilfe war dagegen die Reha und die Tipps, die ich von Mitpatienten dort erhielt, sowie die Community in den Netzwerken und Ratgeber im Internet. Alles in allem habe ich mein Leben in den Griff bekommen. Aus der ganzen Geschichte habe ich gelernt, dass man sich nicht entmutigen lassen darf und viel Geduld braucht. In jeder Krise stecken auch Chancen!