Prüfmethoden für Inkontinenzprodukte
Wussten Sie, dass es schon seit den neunziger Jahren diverse Prüfverfahren für saugendes Inkontinenzmaterial gibt? Aktuell haben sich drei Methoden durchgesetzt, um die Kapazität von Pants und Slips zu messen. Erfahren Sie in diesem Bericht, wie und warum die Messungen durchgeführt werden.
Einheitliche Normen für Inkontinenzartikel
Das Angebot an aufsaugenden Inkontinenzprodukten ist groß und für den Laien nahezu unüberschaubar. Schenkt man den Produktbeschreibungen der Hersteller Glauben, dürfte es im Grunde genommen gar keine schlechten Inkontinenzartikel geben. Jeder, der an Inkontinenz leidet, weiß aber, dass die Wirklichkeit anders aussieht.
Obwohl Inkontinenz-Hilfsmittel nur dann in das medizinische Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen aufgenommen werden, die den Vorgaben entsprechen, lässt die Qualität der Produkte oft zu wünschen übrig. Das liegt daran, dass die Tests mit der Praxis meist nicht viel zu tun haben.
Besonders in Deutschland gibt es Bestrebungen, einen einheitlichen Qualitätsstandard zu schaffen, um eine optimale medizinische Versorgung zu gewährleisten. In diesem Inkontinenz Ratgeber Beitrag möchten wir Ihnen die aktuellen Normen und Prüfmethoden erklären.
Welche Prüfmethoden für Inkontinenzprodukte gibt es?
Im Mittelpunkt stehen Test, mit deren Hilfe die Aufnahmekapazität eines aufsaugenden Inkontinenz-Hilfsmittels gemessen wird. Der Wert wird in Millilitern (ml) gemessen. Bei den Herstellern von Sanitärartikeln haben sich 3 Methoden etabliert:
- MDS 1/9393-Hi und MDS 12/2015-Hi
- ISO 11948–1 (Rothwell-Test)
- DIN 13222 – ABL Test
Bei allen 3 Prüfverfahren wird eine Lösung aus 0,9 Prozent Kochsalz in Wasser als Prüfflüssigkeit verwendet, die Urin simulieren soll.
In den folgenden Abschnitten werden die 3 Tests sowie ihre Vor- und Nachteile etwas genauer erläutert.
1. Der MDS Test
Das Prüfverfahren wurde vom »Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen« im Jahre 1993 entwickelt und 2015 modernisiert. Der MDS Test dient zur Ermittlung der Flüssigkeitsaufnahme, der Aufsauggeschwindigkeit und der Flüssigkeitsabgabe.
Das Prüfverfahren findet deshalb in 3 Teilen statt: Zur Messung der Flüssigkeitsaufnahme wird eine 10 x 10 cm große Probe des Saugpolsters gewogen, in einer Flüssigkeit für 10 Minuten vollständig untergetaucht, dann 1 Minute unter 10 kg Druck ausgepresst und erneut gewogen.
Zur Messung der Aufsauggeschwindigkeit wird eine Probe des Saugpolsters mit den Maßen 10,5 x 10,5 cm benötigt. Zur Prüfung wird die Probe mit der Saugseite nach oben in ein Messzylinder gelegt. Darauf kommt eine gelochte Stahlplatte. Auf die Löcher der Stahlplatte wird 5 ml der Prüfflüssigkeit gegeben und die Zeit bis zum vollständigen Einsickern mit der Stoppuhr gemessen.
Die Prüfung der Flüssigkeitsabgabe erfolgt im Anschluss an den Test der Aufsauggeschwindigkeit. Dabei werden weitere 10 ml Prüfflüssigkeit pro Bohrung auf die Probe aufgebracht. Die Probe wird mit 4 kg Druck 10 Minuten lang belastet. Danach werden Gewicht und Druckplatte entfernt, trockenes Filterpapier gewogen, aufgelegt und das Ganze erneut für 2 Minuten belastet. Anschließend wird das feuchte Filterpapier erneut gewogen.
Welche Vorteile hat das MDS Verfahren?
Alle anderen Verfahren messen nur die Aufnahmekapazität. Das MDS Verfahren misst als einziges auch die Aufsauggeschwindigkeit und die Flüssigkeitsabgabe. Diese beiden Werte spielen bei der Beurteilung der Qualität eines Inkontinenzproduktes ebenfalls eine wichtige Rolle.
Welche Nachteile hat das MDS Verfahren?
Zur Prüfung muss das Produkt zerstört werden. Das hat mit dem Einsatz in der Praxis nicht viel zu tun. Die gemessenen Werte sind zum Teil unrealistisch und rein theoretisch.
2. ISO 11948–1 Rothwell-Test
Dieses Prüfverfahren wurde 1996 entwickelt. Dabei wird die Aufnahmekapazität eines aufsaugenden Inkontinenzprodukts gemessen.
Für den Test wird das Produkt erst gewogen und dann 30 Minuten lang vollständig in eine Prüfflüssigkeit getaucht, bis es vollgesogen ist. Danach lässt man es 10 Minuten lang abtropfen und ermittelt erneut das Gewicht. Aus der Differenz wird die maximale Aufnahmekapazität errechnet.
Welche Vorteile hat der ISO-Test?
Er ist sehr einfach und schnell auszuführen und erfordert keinen großen Aufwand. Deshalb ist er auch sehr kostengünstig.
Welche Nachteile gibt es?
Das Testergebnis zeigt unrealistisch hohe Werte. In der Praxis würde niemand eine Vorlage oder Pants so lange tragen, bis sie vollständig mit Urin getränkt sind. Die Werte für die tatsächliche Aufnahmekapazität eines Inkontinenzprodukts betragen nur etwa ein Drittel des beim ISO 11948–1 Test ermittelten Volumens.
3. DIN 13222 ABL-Test (Absorption before Leckage)
Die Abkürzung ABL bedeutet übersetzt “Aufnahme bis zum Auslaufen”. Das Messverfahren wird auch Adult Mannequin Test genannt.
Der ABL Test wurde 2017 eingeführt, weil sich die Ergebnisse der beiden anderen Tests als zu ungenau erwiesen. Für den ABL Test wird ein künstlicher Torso mit Rumpf, Gesäß, Harnröhre und Oberschenkeln verwendet.
Dem Prüftorso (Mannequin = Puppe) wird ein Inkontinenzartikel angelegt, so wie es auch der Patient benutzt. Durch eine Düse wird Prüfflüssigkeit in das Produkt gespritzt. Dabei wird das natürliche Urinieren simuliert. Zuerst kommt nur wenig Flüssigkeit aus der Düse, dann wird der Strahl immer stärker und schwächt sich anschließend wieder ab, bis er stoppt.
Der Torso liegt auf einer elektrisch leitenden Unterlage. Sobald Flüssigkeit austritt, wird das registriert, das Volumen der bis dahin eingeleiteten Flüssigkeit gemessen und das Programm gestoppt.
Welche Vorteile hat das ABL Verfahren?
Es liefert von allen 3 Prüfverfahren die realistischsten Werte, weil es sich eng am Einsatz in der Praxis orientiert. Die Prüfung läuft automatisch ab, sodass Irrtümer oder subjektive Einschätzungen ausgeschlossen sind.
Welche Nachteile gibt es?
Das Prüfverfahren ist sehr aufwendig und teuer. Es ist Spezialausrüstung erforderlich. Trotzdem kann nur die Aufnahmekapazität gemessen werden. Aufsauggeschwindigkeit und Flüssigkeitsabgabe (Rücknässung) können damit nicht festgestellt werden. Das Verfahren eignet sich nur für Produkte, die für mittlere bis schwerer Inkontinenz vorgesehen sind. Bei solchen für leichte Inkontinenz kann es nicht angewendet werden.
Welche Schlussfolgerungen ergeben sich?
Zusammenfassend ist es sehr positiv, dass sich der Verbraucherschutz, die Krankenversicherungen und die Politik besonders in Deutschland stark dafür einsetzen, ein einheitliches Bewertungssystem für die absorbierende Kapazitätsmessung zu finden.
Im Grunde genommen gibt es bis dato kein zu 100 Prozent zuverlässiges Prüfverfahren, mit dem die Qualität eines Inkontinenzprodukts objektiv gemessen werden kann.
Deshalb sind auch unsere selbst durchgeführten Tests des täglichen Gebrauchs verschiedener Produkte so enorm wichtig, weil sie in der Lage sind, eine Vielzahl von objektiven und subjektiven Faktoren zu berücksichtigen, die bei den Tests nicht gemessen werden können.
Im Moment scheint eine Kombination aus Ergebnissen des MDS und ABL Tests als am besten geeignet, objektive Aussagen über die Qualität von aufsaugenden Inkontinenzprodukten zu liefern.
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