Pflege Zuhause: Wie pflege ich eine inkontinente Person?
Tipps für den Umgang mit Blasenschwäche bei Familienangehörigen
Schätzungen besagen, dass etwa 60 Prozent aller Pflegebedürftigen an Inkontinenz leiden. Das stellt pflegende Angehörige an besondere Herausforderungen. Eine Harn- oder Stuhlinkontinenz kann viele Ursachen haben. Sie stellt sich oft als Folge von Unfällen oder Operationen ein, kann aber auch durch einen Schlaganfall oder Demenz ausgelöst werden.
Tatsache ist, dass die Zahl der Betroffenen immer mehr zunimmt. Inzwischen gibt es wahrscheinlich schon mehr Menschen mit Harninkontinenz als Diabetiker. Genaueres ist nicht bekannt, weil Betroffene häufig ihr Leiden so lange wie möglich verbergen. Das muss nicht sein, weil es Mittel und Wege gibt, auch mit einer starken Inkontinenz ein normales Leben zu führen.
In diesem Inkontinenzratgeber geben wir Ihnen Tipps, wie Sie einen Familienangehörigen mit Inkontinenz korrekt pflegen.
Pflegekurse vermitteln die notwendigen Kenntnisse
Die Mehrzahl der Pflegebedürftigen wird von Angehörigen daheim versorgt. Die kennen sich zwar mit den Haushaltsdingen aus, haben aber in der Regel keine Kenntnisse über die Pflege. Wenn sie sich um einen Angehörigen mit Pflegegrad kümmern, haben sie Anspruch auf kostenlose Pflegekurse. Diesbezügliche Vorgaben sind in §45 SGB XI geregelt. Die Pflegekassen geben Auskunft, welche Anbieter die Kurse durchführen. Oft veranstaltet die Pflegekasse selbst solche Kurse. Den Teilnehmern werden theoretische und praktische Kenntnisse vermittelt:
- Informationen über die richtige Ernährung
- Korrekte Anwendung von Hilfsmitteln
- Sachgemäßer Umgang mit Medikamenten
- Pflegehandgriffe, zum Beispiel Waschen im Bett
- Anweisungen zum rücken- und gelenkschonenden Heben und Tragen
- Schulungen zur Hygiene und Vermeidung von Hautschäden bei Inkontinenz
- Informationen über die Leistungen der Kranken- und Pflegekasse
- Organisation einer Kurzzeit- oder Vertretungspflege
- Tipps zur Bewältigung des Alltags
Die Kurse statten Angehörige mit dem notwendigen Wissen aus, um Angehörige mit Harn- oder Stuhlinkontinenz zu Hause gut pflegen zu können. Darüber hinaus informieren sie auch, welche Leistungen in Form von Geld, Sachen oder Urlaub zur Verfügung stehen.
Alle diese Leistungen können nur auf Antrag gewährt werden. Dazu müssen Sie erst einmal wissen, worauf Sie bzw. die pflegebedürftige Person Anspruch haben. Kurse finden üblicherweise in Schulungsräumen des Anbieters statt. Unter besonderen Umständen kann der Kurs auch zu Hause abgehalten werden.
Wie schwer ist die Harninkontinenz?
Um zu wissen, wie stark die Harninkontinenz ausgeprägt ist, muss zunächst bestimmt werden, wie groß der Urinverlust ist. Er wird in ml pro 4 Stunden gemessen. Nach dem Grad der Harninkontinenz und der Mobilität des Patienten richtet sich die Auswahl des Hilfsmittels:
- weniger als 50 ml: Tröpfchen-Inkontinenz
- 50 – 100 ml: leichte Harninkontinenz
- 100 – 200 ml: mittelstarke Harninkontinenz
- 200 – 300 ml: schwere Harninkontinenz
- mehr als 300 ml: sehr schwere Harninkontinenz
Die Stärke der Harninkontinenz wird durch ein Miktionsprotokoll ermittelt. Das ist eine Tabelle, die über mindestens 24 Stunden geführt wird. Darin wird festgehalten, wann wie viel Flüssigkeit aufgenommen wird (Trinkmenge, Suppen, Joghurt, Salate usw.) und wann wie viel Urin ausgeschieden wird.
Die Urinmenge kann entweder direkt mit einem Becher gemessen werden oder/und durch das Abwiegen der benutzen Inkontinenz-Hilfsmittel im Vergleich zu den unbenutzten ermittelt werden. Vorlagen für das Miktionsprotokoll gibt es online. Es ist auch für den behandelnden Arzt wichtig.
Welche Inkontinenz-Hilfsmittel eignen sich?
Grundsätzlich wird zwischen aufsaugenden und ableitenden Hilfsmitteln unterschieden. Ableitende Hilfsmittel sind Urinalkondome für Männer und Pessare für Frauen. Sie fangen den Urin auf und leiten ihn durch Schläuche in einen Auffangbeutel. Die Systeme arbeiten zuverlässig. Sie eignen sich gut für Patienten, die bettlägerig sind oder im Rollstuhl sitzen.
Aufsaugende Inkontinenz-Hilfsmittel sind Einlagen, Vorlagen, Pants und Slips. Sie saugen austretenden Urin auf und binden ihn, indem sie ihn in ein Gel umwandeln. Nach Gebrauch werden sie im Restmüll entsorgt.
- Einlagen
Sie werden ähnlich wie Slipeinlagen in die Unterwäsche gelegt. Die Haftung erfolgt durch die klebrige Außenseite. Einlagen eignen sich für aktive Patienten mit leichter bis mittlerer Harninkontinenz.
- Vorlagen
Sie sind größer als Einlagen und haben keine Klebestreifen. Ihren Halt bekommen sie durch Netzhosen (eine Art kurzbeinige Strumpfhose, in die sie eingelegt werden und die Vorlagen fixieren. Vorlagen werden bei mittlerer bis schwerer Harninkontinenz benutzt.
- Inkontinenz-Pants
Es handelt sich im Prinzip um Einweg-Höschen. Sie bestehen aus mehreren Lagen. Innen haben sie ein weiches, saugfähiges Vlies und Schichten von Superabsorber, der Urin in Gel umwandelt. Außen sind sie wasserdicht. Die Pants werden wie normale Unterwäsche getragen und bei Bedarf gewechselt. Sie eignen sich für mittlere bis schwere Inkontinenz.
- Inkontinenz-Slips
Sie funktionieren nach demselben Prinzip wie die Pants. Slips lassen sich jedoch seitlich öffnen. Das erleichtert das Wechseln der Hilfsmittel bei bettlägerigen Personen. Sie eignen sich ebenfalls bei mittlerer bis schwerer Harninkontinenz.
- Bett- und Stuhlauflagen
Ergänzend zu den hier aufgeführten Produkten können Sie Einweg-Auflagen benutzen. Sie werden auf das Bettlaken oder den Stuhl gelegt und mit Klebestreifen befestigt. Die Innenseite fängt Urin auf und absorbiert ihn. Gerüche werden gebunden.
Tipp
Wenn der Patient mit Harninkontinenz diagnostiziert wurde, bitten Sie den Arzt, ein Dauerrezept auszustellen. Die Krankenkasse übernimmt dann die Versorgung mit Inkontinenz-Hilfsmitteln. Sie müssen maximal 10 Euro pro Monat zuzahlen.
Häusliche Pflege bei Harninkontinenz ist machbar
Es gibt viele Hilfsmittel auf dem Markt, die Sie bei der Pflege von Angehörigen mit Harn- oder Stuhlinkontinenz unterstützen. Am besten besuchen Sie einen kostenlosen Pflegekurs. Dort lernen Sie nicht nur technische Dinge wie das Wechseln von Slips oder das richtige Waschen und Heben von Patienten, sondern erhalten auch Infos über die Leistungen von Kranken- und Pflegekasse, auf die Sie und der Pflegebedürftige Anspruch haben.