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Wie sind Inkontinenzprodukte aufgebaut?

Viele von Harninkontinenz betroffene Personen sind täglich auf Einlagen, Vorlagen, Pants oder Slips angewiesen. Doch kaum jemand weiß, wie sie funktionieren. In diesem Blog-Beitrag haben wir für Sie spannende Informationen zusammengetragen und erklären Ihnen, wie fast alle Inkontinenzprodukte aufgebaut sind.

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Aufbau und Funktion von Inkontinenzhilfsmitteln

Zwar kön­nen »auf­sau­gen­de Inkon­ti­nenz­hilfs­mit­tel« die Inkon­ti­nenz nicht hei­len, aber immer­hin das Leben der Betrof­fe­nen erleich­tern und ihnen die Teil­nah­me am gesell­schaft­li­chen Leben ermöglichen.

Die Auf­ga­be aller Inkon­ti­nenz­pro­duk­te ist, unkon­trol­liert aus­tre­ten­den Urin auf­zu­fan­gen, zu sam­meln und vom Kör­per fern zu hal­ten. Letz­te­res ist beson­ders wich­tig, weil Urin bei län­ge­rer Ein­wir­kung die Haut reizt und Rötun­gen sowie Ent­zün­dun­gen begüns­ti­gen kann. Zudem för­dert feuch­te Wär­me das Wachs­tum von Kei­men und begüns­tigt Infektionskrankheiten.

In die­sem Bei­trag möch­ten wir Ihnen erklä­ren, wie sau­gen­de Inkon­ti­nenz­ar­ti­kel grund­sätz­lich auf­ge­baut sind. Wel­che Mate­ria­li­en kom­men zum Ein­satz? Wo und wie wird der Urin auf­ge­saugt? Wie sind Inkon­ti­nenz­ein­la­gen, Vor­la­gen, Pants und Win­del- Slips auf­ge­baut? Wie funk­tio­niert der Geruchs­schutz? Ant­wor­ten fin­den Sie hier. Wenn Sie Fra­gen oder Anmer­kun­gen haben, hin­ter­las­sen Sie bit­te einen Kommentar.

Hohe, kontroverse Anforderungen

Von außen sehen Inkon­ti­nenz­pro­duk­te rela­tiv ein­fach und oft unspek­ta­ku­lär aus. In Wirk­lich­keit sind sie jedoch ech­te High­tech Pro­duk­te, die aus meh­re­ren Lagen unter­schied­li­cher Mate­ria­li­en bestehen.

Sie müs­sen Ansprü­che erfül­len, die ein­an­der ent­ge­gen­ge­setzt sind:

  • Einer­seits sol­len sie mög­lichst viel Urin auf­neh­men, aber so dünn wie mög­lich sein.
  • Sie sol­len »kör­per­nah« getra­gen wer­den und doch muss die Haut tro­cken bleiben.
  • Auf der einen Sei­te sol­len sie 100% aus­lauf­si­cher sein und doch muss die Haut atmen können.
  • Sie sol­len über meh­re­re Stun­den getra­gen wer­den kön­nen und den­noch darf kei­ne Geruchs­ent­wick­lung entstehen.

Es genügt zur Pro­duk­t­her­stel­lung nicht, ein­fach »eine dicke Lage Wat­te« zu neh­men. Denn Baum­wol­le, Vis­ko­se, Wat­te u.ä. kön­nen zwar Urin auf­sau­gen, geben ihn aber unter Druck, beim Sit­zen oder Lau­fen wie­der ab. Die Näs­se wür­de durch­si­ckern und sich als dunk­le Fle­cken auf der Klei­dung bemerk­bar machen. Die Haut des Benut­zers wäre zudem per­ma­nent nass, was zu Rötun­gen und Ent­zün­dun­gen führt.

In den letz­ten Jah­ren haben sich Optik und Effi­zi­enz von Inkon­ti­nenz­pro­duk­ten deut­lich ver­bes­sert. Ins­be­son­de­re nach der Ein­füh­rung gesetz­li­cher DIN- und ISO-Nor­men im März 2017 gab es noch­mals eine deut­li­che Qua­li­täts­stei­ge­rung sei­tens der Her­stel­ler.

Aus welchen Schichten bestehen Inkontinenzprodukte?

Grund­sätz­lich bestehen alle auf­sau­gen­den Inkon­ti­nenz­ar­ti­kel aus vier Schich­ten, die aber je nach Her­stel­ler und Modell unter­schied­lich ver­ar­bei­tet werden:

1. Die Aufnahmeschicht

Meis­tens besteht die zum Kör­per zuge­wand­te Innen­sei­te aus einer dün­nen Lage wei­chem Vlies. Es hat die Auf­ga­be, den Urin mög­lichst schnell auf­zu­neh­men und an die unte­ren Schich­ten wei­ter zu lei­ten. Anschlie­ßend soll es wie­der schnell trocknen.

Das soge­nann­te Spinn­vlies ist reiß­fest, tex­til­ar­tig, weich, schnell­trock­nend und nimmt selbst kaum Flüs­sig­keit auf. Dadurch bleibt die Innen­sei­te der Inkon­ti­nenz­hilfs­mit­tel schön tro­cken. Bit­te ver­wech­seln Sie den Begriff »Vlies« nicht mit »Fleece«.

Vlies­stoff besteht aus was­ser­strahl­ver­fes­tig­tem Zell­stoff und wird auch Win­del­vlies, Papiervlies oder Spinn­pa­pier genannt. Bei der soge­nann­ten Was­ser­strahl­ver­fes­ti­gung (auch Spun­lace-Ver­fah­ren bezeich­net) wer­den Zell­stoff­fa­sern mit­tels aus Düsen aus­tre­ten­der Was­ser­strah­len mit­ein­an­der ver­schlu­gen und dadurch verfestigt.

2. Die Verteiler- bzw. Transferschicht

Die Trans­fer­schicht ist eben­falls sehr dünn und hat die Auf­ga­be, die Flüs­sig­keit, die vom Vlies durch­si­ckert, mög­lichst gleich­mä­ßig zu ver­tei­len und schnell von der Auf­nah­me­schicht wegzuleiten.

Durch die Trans­fer­schicht wird erreicht, dass die Spei­cher­ka­pa­zi­tät des Saug­kerns mög­lichst gleich­mä­ßig genutzt wird und nicht eini­ge Stel­len Flüs­sig­keit auf­neh­men, wäh­rend ande­re tro­cken blei­ben. Außer­dem soll die Auf­sau­gung von schwall­wei­se auf­tre­ten­dem Harn, z.B. beim Auf­ste­hen beschleu­nigt werden.

Die Trans­fer­schicht besteht aus einer Mischung von lan­gen, ver­wir­bel­ten Cel­lu­lo­se­fa­sern, die mit kurz­fa­se­ri­gen Cel­lu­lo­se­fa­sern kom­bi­niert sind. Dadurch wird eine hohes Auf­nah­me­vo­lu­men und zugleich eine gute Kapil­lar­wir­kung erreicht. Cel­lu­lo­se wird auch Zel­lu­lo­se geschrieben.

3. Die Absorptionsschicht, bzw. der Saugkern

Der Saug­kern ist der wich­tigs­te Bestand­teil aller auf­sau­gen­der Inkon­ti­nenz­pro­duk­te. Dar­in wird die aus dem Vlies und der Trans­fer­schicht kom­men­de Flüs­sig­keit gespeichert.

Der Saug­kern besteht aus einem wat­te-ähn­li­chen Gemisch aus a) lang­fa­se­ri­ge Cel­lu­lo­se (Sul­fatcel­lu­lo­se) und b) einer Sub­stanz, die »Super­ab­sor­ber« genannt wird.

Wie schon in der Trans­fer­schicht sorgt die Cel­lu­lo­se für das Auf­sau­gen von Flüs­sig­kei­ten. Sul­fatcel­lu­lo­se kann das 11-fache sei­nes Gewichts aufnehmen.

Der Super­ab­sor­ber hat ganz beson­de­re Eigen­schaf­ten: Er kann salz­hal­ti­ge Flüs­sig­kei­ten bis zum 50-fachen sei­nes eige­nen Volu­mens spei­chern und gibt sie auch unter Druck nicht wie­der frei. Che­mi­ker nen­nen das Super­ab­sor­ber-Mate­ri­al auch: Sodium-Poly­acry­lat, Super­ab­sor­bent Poly­mers (kurz: SAP), Poly­mer­salz, Poly­acry­lat, Natri­um­po­ly­acry­lat oder Natrium-Polyacrylat.

Im tro­cke­nen Zustand sieht der Werk­stoff wie Zucker- oder Salz­kris­tal­le aus. Sobald Flüs­sig­keit auf das Gra­nu­lat trifft, quillt es zu einem durch­sich­ti­gen Gel­kü­gel­chen auf und bin­det die Flüs­sig­keit direkt in sei­ner Mole­ku­lar-Struk­tur. Im auf­ge­quol­le­nen Zustand spricht man von einem Hydro­gel, das aus­sieht wie Schnee­matsch oder durch­sich­ti­ge Gela­ti­ne.

In einem beein­dru­cken­den, che­mi­schen Pro­zess wird der Urin also blitz­schnell in dem Saug­kis­sen gebun­den und kann nicht mehr aus­lau­fen. Gleich­zei­tig wird die Umwand­lung zu Ammo­ni­ak und Stick­stoff unter­bun­den, wodurch Urin­ge­ruch wir­kungs­voll ver­hin­dert wird. Eini­ge Her­stel­ler set­zen außer­dem geruchs­bin­den­de Stof­fe wie Cyclo­d­ex­trin sowie Puf­fer­stof­fe ein, die die Zer­set­zung des Urins verzögern.

Der Auf­bau der Saug­ker­ne kön­nen zwi­schen den Her­stel­lern vari­ie­ren, da die Absorp­ti­on des Kern­ma­te­ri­als über ver­schie­de­ne Metho­den erhöht wer­den kön­nen. Eini­ge Fir­men ver­wen­den eine obe­re und unte­re Zel­lu­lo­se-Schicht und bet­ten den Poly­cry­lat-Kör­per dazwi­schen ein (sie­he Foto) und ande­re Her­stel­ler ver­wen­den einen zwei- oder gar drei­la­gi­gen Saug­kern, wel­cher dann mit einer Schicht Saug­pa­pier unter­teilt wird. Durch die­se Metho­de wird die Spei­cher­ka­pa­zi­tät trotz gerin­ger Mate­ri­al­di­cke erheb­lich erhöht.

4. Die Schutzschicht

Nach außen hin sorgt eine Lage aus Poly­ethy­len-Folie (PE) oder auch atmungs­ak­ti­ves Gewe­be für die mecha­ni­sche Fes­tig­keit und ver­hin­dert, dass Feuch­tig­keit nach außen dringt. Die ein­zel­nen Lagen wer­den durch Schich­ten aus Kleb­stoff mit­ein­an­der verbunden.

Durch die­se Folie kann war­me Luft hin­durch dif­fun­die­ren (ver­damp­fen), aber kei­ne Flüs­sig­keit entweichen.

Je nach Pro­dukt­ka­te­go­rie (Inkon­ti­nenz­ho­sen, Erwach­se­ne­ne­win­deln) sind man­che Arti­kel mit elas­ti­schen Außen­ma­te­ria­li­en ver­se­hen. Hier kom­men oft­mals syn­the­ti­sche Kunst­fa­sern zum Ein­satz, die im Fach­jar­gon Fila­ment­garn genannt wer­den. Man fin­det auch che­misch her­ge­stell­te Web­gar­ne mit den Bezeich­nun­gen: Poly­ethy­len­te­re­ph­tha­lat, Poly­amid, Poly­es­ter oder Poly­pro­py­len (PP).

Auf Ein­la­gen und eini­gen Vor­la­gen wur­de zudem ein Kle­be­strei­fen mit Abdeck­strei­fen auf die Außen­sei­te der Schutz­schicht versehen.

Elastikfäden sorgen für Spannung

Damit die Inkon­ti­nenz­pro­duk­te dicht abschlie­ßen, wer­den Elas­tik­fä­den (z.B.
Elast­an / Lycra® / Span­dex®) ein­ge­ar­bei­tet. Sie ver­set­zen die o.g. Mate­ria­li­en unter Span­nung und bil­den somit die Bünd­chen, die für ein aus­lauf­si­che­res Anlie­gen am Bein sorgen.

Auch die soge­nann­ten Aus­lauf­bar­rie­ren, bzw. seit­li­chen Aus­lauf­sper­ren (aus was­ser­ab­wei­send beschich­te­ten Fila­ment­fa­sern) wer­den somit unter Span­nung versetzt.

Zusammenfassung

Moder­ne Inkon­ti­nenz­pro­duk­te sind das Ergeb­nis einer lang­jäh­ri­gen tech­ni­schen Ent­wick­lung zahl­rei­cher inno­va­ti­ver Her­stel­ler. Sie kön­nen gro­ße Men­gen an Urin spei­chern, hal­ten aber gleich­zei­tig die Haut des Benut­zers trocken.

Beson­ders die Erfin­dung von Poly­acry­lat und die Ver­fah­ren zur Vlies- und Kunst­stoff­fo­li­en-Her­stel­lung stel­len einen unglaub­li­chen Ent­wick­lungs­schritt dar. Es ist durch­aus mög­lich, dass Men­schen mit Harn­in­kon­ti­nenz wie­der ihrem beruf­li­chen oder pri­va­ten All­tag nach­ge­hen kön­nen und trotz der gro­ßen kör­per­li­chen Ein­schrän­kung wür­de­voll leben können.

Je nach dem Ein­satz­zweck gibt es ver­schie­de­ne Pro­dukt­grup­pen. Es gibt Ein­la­gen, Vor­la­gen, Pants (Ein­mal-Unter­ho­se) und Slips (Erwach­se­nen­win­deln). Wenn ein Inkon­ti­nenz­pro­dukt sei­nen Zweck nicht rich­tig erfüllt, liegt es fast immer dar­an, dass der Benut­zer nicht das pas­sen­de Pro­dukt gewählt hat.


Video Vliesherstellung:

Herstellung von Inkontinenzprodukten der Firma ONTEX:

Wei­te­re gute Quel­le zu dem The­ma: Deut­sche Apo­the­ker Zeitung

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