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Peter S., Teil 23: Inkontinenz und das Gefühl in der zweiten Covid-19 Zeit

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In Deutsch­land lei­den unge­fähr 10 Pro­zent der Bevöl­ke­rung an Inkon­ti­nenz. Das sind mehr als 8 Mil­lio­nen Men­schen. Frü­her war mir das The­ma Inkon­ti­nenz gar nicht bewusst. 

Das änder­te sich, als ich mit Pro­sta­ta­krebs dia­gnos­ti­ziert wur­de und mir zuerst die Pro­sta­ta ent­fernt wur­de und als zwei­te The­ra­pie eine Bestrah­lung erfolg­te, um die rest­li­chen Krebs­zel­len abzu­tö­ten. Seit­dem lei­de ich an Harn­in­kon­ti­nenz und mein Leben ist nicht mehr so, wie es ein­mal war.

Es ist Mit­te Dezem­ber 2020. Mitt­ler­wei­le belas­tet mich zudem die Coro­na- / Covid 19- Epi­de­mie stark. In die­sem Bei­trag schil­de­re ich, wie man sich als inkon­ti­nen­ter Mensch in der Zeit des zwei­ten Lock­downs fühlt.

Wie wirkt sich Covid-19 auf jemanden aus, der an Harninkontinenz leidet?

Eine Tat­sa­che steht fest: Inkon­ti­nenz macht ein­sam. Seit­dem ich die Kon­trol­le über mei­ne Bla­se ver­lo­ren habe, ver­las­se ich nicht mehr gern das Haus. Schon mehr als ein­mal pas­sier­te es mir, dass ich mit Hosen, die im Schritt nass waren, durch die Stadt lau­fen muss­te. Das ist mehr als pein­lich. Die Leu­te sagen zwar nichts, aber ihre Bli­cke spre­chen Bände. 

Im Lau­fe der nun schon 10 Mona­te anhal­ten­den Covid-19 / Coro­na – Epi­de­mie wur­de alles noch viel schlim­mer. Da ich auf­grund mei­nes Alters und mei­ner Vor­er­kran­kung zur Risi­ko­grup­pe gehö­re, ver­las­se ich nur noch sel­ten das Haus. Höchs­tens ein kur­zer Spa­zier­gang und die nor­ma­len Ein­käu­fe sind noch drin. Dabei schwebt in mei­nem Hin­ter­kopf jedoch die stän­di­ge Angst vor Ansteckung. 

Einsamkeit und depressive Stimmung

Eigent­lich soll­te ich froh sein, dass ich allein lebe und mich nie­mand besu­chen kommt. Trotz­dem ist es depri­mie­rend, manch­mal tage­lang mit kei­nem Men­schen ein Wort zu wech­seln. Coro­na macht das alles noch viel schlim­mer. Men­schen scheu­en den Kon­takt zu anderen. 

Ich wage gar nicht dar­an zu den­ken, was pas­sie­ren wür­de, wenn ich wirk­lich am Coro­na­vi­rus erkran­ken wür­de und in häus­li­che Qua­ran­tä­ne müss­te. Wer wür­de sich um mich küm­mern, wer wür­de für mich ein­kau­fen und die täg­li­chen Ver­rich­tun­gen im Haus­halt erle­di­gen, die nun mal gemacht wer­den müssen? 

Ich lebe von mei­ner Frau getrennt und mei­ne Schwes­ter ist alt, behin­dert und wohnt in einem ande­ren Bun­des­land. Wür­de ich Hil­fe brau­chen, wäre ich wahr­schein­lich auf einen Pfle­ge­dienst ange­wie­sen. Mei­ne Schwes­ter hat mir aber erzählt, dass die bereits jetzt über­las­tet sind, weil sich eini­ge Pfle­ge­rin­nen mit Covid-19 ange­steckt haben und in Qua­ran­tä­ne sind.

Die konkreten Auswirkungen von Corona auf mein Leben

Abge­se­hen von dem all­ge­mei­nen Gefühl der Unsi­cher­heit und Depres­si­on, das mich beschleicht, gibt es in mei­nem All­tag ganz kon­kre­te Aus­wir­kun­gen der Pandemie. 

Wie wahr­schein­lich über­all in Deutsch­land, gibt es auch an mei­nem Wohn­ort nur weni­ge öffent­li­che Toi­let­ten. Das ist mir erst bewusst gewor­den, seit­dem ich an Inkon­ti­nenz lei­de. Die Stadt­vä­ter hat­ten das Pro­blem jedoch auf eine cle­ve­re Art gelöst. Sie hat­ten Ver­ein­ba­run­gen mit eini­gen der ört­li­chen Restau­rants und Cafés getrof­fen. Die­se stell­ten gegen eine klei­ne Auf­wands­ent­schä­di­gung ihre Toi­let­ten zur Benut­zung durch die Öffent­lich­keit zur Ver­fü­gung. Das war eine gro­ße Erleich­te­rung für mich. 

Eine durch­ge­weich­te Ein­la­ge kann man nicht auf der Stra­ße wech­seln. Dann kam Coro­na und jetzt sind die Gast­stät­ten wie­der zu. Dadurch bin ich wie­der auf die weni­gen schmut­zi­gen und stin­ken­den öffent­li­chen Toi­let­ten angewiesen.

Auch beim Arzt bedeu­tet Coro­na Stress. In regel­mä­ßi­gen Abstän­den muss ich mich bei mei­nem Uro­lo­gen zur Nach­un­ter­su­chung mel­den. Um die Anste­ckungs­ge­fahr durch das Coro­na­vi­rus zu ver­rin­gern, gibt es aber im War­te­zim­mer nur halb so viel Sitz­plät­ze wie zuvor. 

Der Ein­gang in die Pra­xis wird exakt kon­trol­liert. Nur eine bestimm­te Anzahl von Per­so­nen darf sich in den Räu­men auf­hal­ten. Das Ergeb­nis: die Pati­en­ten war­ten vor der Tür. Die Schlan­ge erstreckt sich durch den gesam­ten Haus­flur. In Spit­zen­zei­ten sogar bis auf die Stra­ße. Was das für einen Sinn haben soll, ist mir nicht verständlich.

Sinn und Unsinn der Covid-19-Schutzmaßnahmen

Beim Ver­fol­gen der Nach­rich­ten wer­de ich lang­sam aber sicher depres­siv. Prak­tisch seit Febru­ar 2020 gibt es nur ein The­ma: Coro­na, Coro­na und noch­mals Coro­na. Ich kann das Wort schon gar nicht mehr hören. 

Anfang Novem­ber war ich froh, dass wenigs­tens vor­über­ge­hend die Wah­len in den USA in den Vor­der­grund tra­ten. Zu den schlech­ten Nach­rich­ten gesel­len sich sol­che, die Cha­os und Ver­wir­rung stif­ten. Stän­dig wer­den neue Maß­nah­men zum Kampf gegen Coro­na ange­ord­net oder bestehen­de geän­dert. Am Ende weiß ich über­haupt nicht mehr, was rich­tig und was falsch ist. 

Über­haupt macht mir die all­ge­mei­ne Stim­mung im Land Angst. Vie­le Men­schen sind gereizt und aggres­siv. Ich neh­me an, das liegt dar­an, dass sie Angst haben. Tau­sen­de demons­trie­ren auf der Stra­ße gegen die „Coro­na Dik­ta­tur“. Wobei das eigent­lich Schwach­sinn ist. Schon allein die Tat­sa­che, dass sie demons­trie­ren kön­nen, beweist ja ein­deu­tig, dass es kei­ne Dik­ta­tur ist. 

Das Ver­hal­ten der Men­schen macht mir Sor­gen, fast mehr noch als das über mei­ne eige­ne Gesund­heit. Wo soll das noch alles hin­füh­ren? Steu­ern wir etwa auf einen Bür­ger­krieg zu? Das alles bestärkt mich noch in mei­nem Ent­schluss, sobald sich die Gele­gen­heit ergibt, aus Deutsch­land aus­zu­wan­dern. Ich bin unter der Dik­ta­tur der SED groß gewor­den und möch­te im Alter nicht noch ein­mal so etwas mitmachen.

Bis zum Impfstoff bleibe ich einsam isoliert

Sehn­li­cher erwar­te ich den Zeit­punkt, an dem end­lich ein Coro­na Impf­stoff zur Ver­fü­gung ste­hen wird. Für mich steht jetzt schon fest, dass ich mich so schnell wie mög­lich imp­fen las­sen wer­de, weil ich end­lich wie­der ein nor­ma­les Leben haben möch­te, soweit das mit Harn­in­kon­ti­nenz über­haupt mög­lich ist.

Miss­mu­tig schaue ich auf das bevor­ste­hen­de Weih­nachts­fest. Ohne Freun­de, ohne Fami­lie, ohne Weihnachtsmarkt…

Hof­fent­lich ist der Spuk bald zu Ende!

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