Peter S., Teil 8: Psychotherapie und Gruppentherapie
In meinen vorherigen sieben Kolumne- Beiträgen habe ich berichtet, wie meine Prostatakrebserkrankung verlief. Nach der Diagnosestellung, meiner Prostata-OP und einem mentalen Hänger zu Hause, trat ich optimistisch meine Reha-Maßnahme in der Sinntalklinik an. Ich möchte Ihnen in diesem Beitrag mitteilen, wie in einer stationären Rehabilitationseinrichtung die Physiotherapie abläuft.
In der Reha offen über Inkontinenz offen reden
Aufgrund der heutigen Sparpolitik im Gesundheitswesen bekommen Patienten nur dann eine Reha genehmigt, wenn eine schwere Erkrankung vorliegt oder eine große OP notwendig war. In meinem Fall war das die Entfernung der Prostata infolge einer Prostatakrebs-Erkrankung.
Je nach den Umständen ist bei manchen Patienten eine Gruppentherapie bzw. Psychotherapie notwendig, damit sie wieder Mut zum Leben finden und die Heilung besser vonstatten geht.
Da die »Psychotherapie« eine wichtige Tragsäule einer erfolgreichen Rehabilitationsmaßnahme ist, möchte ich nachfolgend darüber ein wenig erzählen.
Vollautomatische Gruppentherapie in der Kinik
Im Grunde genommen ist die Reha eine 3 oder 4 Wochen andauernde Psychotherapie, die ich als sehr wohltuend empfand.
Man wird aus seiner gewohnten Umgebung heraus gelöst und entgeht für eine Weile dem alltäglichen Stress. Weder braucht man sich um Einkaufen, Kochen oder Putzen zu kümmern, noch sich Gedanken zu machen, was man morgen tun wird. Man hat seinen geplanten Tagesablauf, der einem ganz schön in Atem hält.
Zwischen den Behandlungen gibt es immer Zeit für Gespräche. Mit fremden Personen kommt man in der Klinik viel leichter ins Gespräch als im Alltag. Das liegt daran, dass alle gemeinsames Leid verbindet.
Die meisten und intensivsten Gespräche fanden bei den Mahlzeiten statt. Besonders genoss ich die angeregten Gespräche beim Frühstück. Ehrlich gesagt habe ich daheim nicht so viele soziale Kontakte wie in der Reha Klinik.
Viele Patienten haben sich gefreut, mit mir zu sprechen. Sie sagten, dass ihnen meine frische, optimistische Art wieder neuen Lebensmut gab.
Persönliche Psychotherapie
Bei einigen Personen löst die Prostatektomie ein beginnendes psychisches Trauma aus. Die permanente Harninkontinenz, die Impotenz sowie Narbenschmerzen und “Grübeleien” haben auch mich direkt nach meiner Prostata OP umgeben.
Wenn ein betroffener Patient die neue Lebenssituation möglichst schnell verarbeiten kann, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Depressionen und depressive Episoden komplett vermieden werden.
Es wird direkt beim Aufnahmegespräch festgestellt, ob psychosomatischer Therapiebedarf besteht.
In einem geschlossenen Raum, kann man einer Psychotherapeutin sein ganzes Herz ausschütten. Beziehungsprobleme, Zukunftsängste, Schamgefühle, Sorgen und gesundheitliche Fragen werden in einzelnen Therapiesitzungen ganz in Ruhe erörtert.
Ich persönlich brauchte keine Psychotherapiesitzungen, jedoch berichteten mir andere Leidensgenossen, dass ihnen viele Lasten von den Schultern genommen werden.
Psychische Gruppentherapie
Ein wesentlicher Bestandteil einer Reha-Maßnahme ist die Gruppentherapie.
Hier geht es darum, mittels einer psychologisch geschulten Moderatorin, in einer Gruppe diverse Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig Ratschläge zu geben. Ich befreundete mich beispielsweise mit einem Mann aus Laos, der mit seinem Urologen unzufrieden war. Prompt empfahl ich ihm meinen Facharzt.
Während der Dauer meines Aufenthalts gab es eine Behandlung die sich “psychische Muskelentspannung” nannte und von einem Diplompsychologen geleitet wurde.
Ziel der Übung war, Muskelverspannungen zu lösen, so dass man sich am Ende entspannt und möglichst schläfrig fühlte. Derartige Übungen eignen sich vor allem für Büroarbeiter, die oft stundenlang verkrampft auf dem Stuhl sitzen.
Bei den meisten Gruppentherapien waren bei mir 12 – 14 Leute anwesend.
Erfolgsaussichten von psychischen Behandlungen
Ob die Rehamaßnahme erfolgreich verläuft oder nicht, ist zum großen Teil vom Patienten selbst abhängig. Jeder muss selbst entscheiden, wie intensiv er sich an die Empfehlungen und Tipps der Therapeuten hält.
Persönlich ziehe ich eine gemischte Bilanz. Das Hauptziel meiner Reha bestand darin, meine Inkontinenz in den Griff zu bekommen. Zwar konnte ich das Problem reduzieren, aber nicht vollständig beseitigen.
Bei der Reha gewann ich zudem eine überraschende Erkenntnis: Für die Mehrzahl der Patienten stellt nicht der Prostatakrebs, sondern die Inkontinenz das größte psychologische Problem dar. Viele schämen sich, in die Öffentlichkeit zu gehen, solange sie “Auslaufmodelle” sind. Oft fehlt auch einfach die Geduld. Der Körper braucht Zeit für die Genesung.
Alles in allem empfinde ich das Angebot von Einzel- und Gruppentherapien sehr sinnvoll.